Macht KI Entwicklung schneller?
KI-Tools gelten als Produktivitätsbooster – doch halten sie ihr Versprechen? Und was hat das Ganze mit Glücksspiel im Casino zu tun?
Wir haben unsere Kolleg*innen befragt, wie sie KI im Entwickleralltag nutzen und was sie Juniors im Umgang mit KI raten würden.

Subjektiv schneller - objektiv langsamer?
Die Erwartungen an KI in der Softwareentwicklung sind hoch: Automatisierte Code-Vervollständigung, schnelle Bugfixes und effizientere Entwicklungsteams gehören zu den gängigen Versprechen. Doch eine neue Untersuchung der Forschungsorganisation METR zeigt: Bei erfahrenen Entwickler*innen kann der Einsatz von KI-Tools sogar zu Produktivitätseinbußen führen.
In einem Versuch mit 16 erfahrenen Open-Source-Entwickler*innen arbeitete eine Gruppe mit, die andere ohne KI-Unterstützung. Das Ergebnis: Die KI-Gruppe brauchte im Schnitt 19 % länger – obwohl sie sich subjektiv als schneller empfand. Woher kommt dieses Gefühl? Wir haben unsere Kolleg*innen zu diesem diesen Widerspruch zwischen subjektivem Tempo und tatsächlichem Fortschritt befragt.
Die KI beschert einem halt abwechselnd "Wow"-Momente und Totalausfälle. Ich glaube Entwickler*innen nutzen KI oft wie einen Glücksspiel-Automaten, wo man so lange am Hebel zieht, bis der passende Code rauskommt. Dabei vergisst man schnell, wie lange man bereits im Casino sitzt.
Viele Entwickler*innen neigen dazu, die Produktivitätsgewinne von KI zu überschätzen – ein Effekt, der durch den aktuellen KI-Hype noch verstärkt wird. Während KI-Tools in beeindruckender Geschwindigkeit Code generieren können, ist das Ergebnis nicht immer optimal. „Wow“-Momente und Totalausfälle wechseln sich häufig ab, und es ist leicht, sich im stetigen Nachbessern zu verlieren.
Auch die Forscher*innen der METR-Studie sehen hier die Ursache für die Diskrepanz zwischen Erwartung und Realität: Die Interaktion mit KI, insbesondere die dialogbasierte Kommunikation, ist oft zeitintensiv und kognitiv fordernd. Hinzu kommen notwendige Prüfungen und Anpassungen am generierten Code sowie teilweise suboptimale Lösungsansätze der Modelle.
Ein weiterer Faktor: Viele erfahrene Entwickler*innen arbeiten ohnehin bereits äußerst effizient – zusätzliche Geschwindigkeit durch KI ist in solchen Fällen nicht garantiert.
Wo KI hilft – und wo nicht
Nicht jede Aufgabe eignet sich gleichermaßen für KI-Unterstützung. Bei einigen Tätigkeiten kann KI echten Mehrwert bringen, in anderen Bereichen stößt sie an Grenzen. Wir haben nachgefragt, in welchen Situationen sich der Einsatz lohnt – und wann besser darauf verzichtet wird.
Wenn man sich nicht gut auskennt, kann KI eine große Hilfe sein. Weil im Entwicklungsalltag die Themen wechseln und man nicht überall gleich erfahren ist, ist niemand immer nur Experte oder immer nur Anfänger.![]()
Mehrwert ✅
- Texten, Korrekturlesen, Dokumentationen lesen und wiedergeben
- Bei allem, wo man beim googeln auch eine sinnvolle Antwort bekommen würde
- Repetitive Aufgaben, Refactoring, Test-Mocks schreiben
- “Einfache Programmieraufgaben”, die leicht überprüfbar sind
Grenzen 😌
- Komplizierte Technologien, die sehr anwendungsspezifisch oder wenig verbreitet sind
- Komplexe existierende Code-Basen
- Komplexe Fehlersuche über Modul- und Bibliotheksgrenzen hinaus
- Größere Änderungen (mit mehreren Schritten über viele Dateien)
Empfehlungen für weniger erfahrene Entwickler*innen
Gerade für Einsteiger*innen kann KI ein wertvolles Werkzeug sein – oder zur Falle werden, wenn Vorschläge unkritisch übernommen werden. Unsere erfahrenen Kolleg*innen geben Empfehlungen, worauf beim Einstieg in die KI-gestützte Entwicklung zu achten ist, welche Kompetenzen trotzdem wichtig bleiben und warum Reflektieren wichtiger ist als Automatisieren.
Wichtig ist, dass man erkennt, wann der Kopf eigentlich schon ausgeschaltet ist – wenn man nur noch im AI-Modus auf eine Antwort hofft, die irgendwie funktioniert, die man aber selbst nicht mehr versteht. Genau dann lohnt es sich, einen Schritt zurückzugehen, ehrlich zu sich selbst zu sein und sich die unklaren Stellen bewusst zu machen – und sie sich (gern auch mit Unterstützung von AI) wirklich zu erklären.
Lass dir generierten Code immer so lange von KI erklären, bis du ihn verstehst. Schreib das am besten gleich in deinen globalen Systemprompt. Wenn du Code ohne Verständnis übernimmst, bleibst du für immer ein Junior, der nur so lange lieferen kann, bis sich das LLM unweigerlich in die Hose macht. Von dieser Art Entwickler*innen werden wir künftig immer weniger brauchen.
Fazit – Werkzeug statt Wundermittel
Die Stimmen aus dem Team zeigen: KI kann Entwickler*innen unterstützen – aber nicht ersetzen. Produktivität entsteht nicht allein durch Tools, sondern durch Erfahrung, Kontextverständnis und kritisches Denken. Wer KI gezielt nutzt, spart Zeit. Wer sich zu stark darauf verlässt, riskiert das Gegenteil.