Gedanken lenken Klicks: Kognitive Verzerrungen im UX-Design
Wie kognitive Verzerrungen und Heuristiken das User Experience Design beeinflussen und wie Sie sie gezielt für bessere digitale Nutzererlebnisse einsetzen.

Nutzer handeln nicht immer so rational, wie wir es als Designer oder Produktentwickler erwarten. Das liegt daran, dass das menschliche Gehirn von kognitiven Verzerrungen und Heuristiken beeinflusst wird. Diese verändern die Art, wie Informationen aufgenommen, verarbeitet und gespeichert werden. Also auch die Art, wie Nutzer mit digitalen Angeboten und Produkten umgehen.
Jedes Mal, wenn Nutzer mit einem Produkt interagiert, passiert folgendes:
- Sie filtern Informationen
- Sie suchen nach Bedeutung
- Sie handeln in begrenzter Zeit
- Sie speichern Teile der Interaktion im Gedächtnis
Unser Design-Team hat uns eine Auswahl an kognitiven Verzerrungen und Heuristiken zusammengestellt, die sie besonders im Auge behalten, wenn es darum geht, effiziente und gute Nutzererlebnisse bei Websites und digitale Produkte zu gestalten.
Kategorie: Informationen filtern 🔍
Hick's Law
Je mehr Auswahlmöglichkeiten Nutzer*innen haben, desto länger dauert es, bis sie sich entscheiden und desto mehr kognitive Anstrengung ist für die Entscheidung erforderlich. Mit jedem zusätzlichen Button, Link oder Menüpunkt steigt also der Aufwand für die Entscheidung.
Tipps, wie Sie Hick’s Law in Ihrer UX berücksichtigen können:
- Bereiche mit vielen Optionen erkennen und Unnötiges reduzieren:
Weniger Auswahl = Schnellere Entscheidungen. - Progressive Disclosure nutzen:
Nur Wichtiges sofort zeigen, Rest bei Bedarf. - Wenn Reduktion nicht möglich ist:
Optionen logisch ordnen und leicht erfassbar machen und bekannte Begriffe und Muster verwenden, damit Nutzer*innen schneller verstehen.
Nutzer*innen haben gelernt, Inhalte zu ignorieren, die wie Werbung aussehen, in der Nähe von Werbung platziert sind oder an Stellen erscheinen, die normalerweise für Anzeigen reserviert sind.
Tipps, wie Sie Banner Blindness in Ihrer UX berücksichtigen können:
- Wichtige Inhalte nicht „werblich“ gestalten:
Vermeiden Sie grelle Banner-Optiken oder werbetypische Platzierungen. - Relevanz sichtbar machen:
Platzieren Sie zentrale Inhalte im natürlichen Lesefluss und in vertrauten Layout-Strukturen.
Kategorie: Bedeutung suchen 🧭
Social Proof ist eine Abkürzung im Entscheidungsprozess. Wenn Menschen unsicher sind oder eine Situation unklar ist, übernehmen sie das Verhalten anderer als „richtig“. Je mehr Personen eine Handlung ausführen, desto plausibler und angemessener wirkt sie.
Tipps, wie Sie Social Proof in Ihrer UX berücksichtigen können:
- Vertrauen sichtbar machen:
Nutzerbewertungen, Sterne oder Testimonials platzieren. - Beliebtheit hervorheben:
Anzeigen, wie viele Personen ein Produkt gekauft oder ein Feature genutzt haben. - Kontext nutzen:
Besonders in unklaren Situationen (neue Funktionen, komplexe Angebote) wirkt Social Proof am stärksten. - Aktualität betonen:
„Gerade 15 Mal gebucht“ oder „500+ aktive Nutzer*innen heute“ macht den Beweis greifbar.
Familiarity Bias
Nutzer*innen haben ein natürliches Bedürfnis nach Vertrautem. Je öfter sie etwas erleben, desto eher empfinden sie es als positiv. Deshalb sollten neue digitale Produkte auf gängigen Mustern und bekannten Interaktionsweisen aufbauen, statt unnötig Neues zu erfinden.
Tipps, wie Sie Familiarity Bias in Ihrer UX berücksichtigen können:
- Bekannte Muster nutzen:
Buttons, Navigation oder Formulare so gestalten, wie Nutzer*innen es gewohnt sind. - Wiederholung schafft Vertrauen:
Wiederkehrende Elemente und konsistente Designs erhöhen die Akzeptanz. - Veränderungen behutsam einführen:
Neue Funktionen an bestehende Interaktionsmuster anlehnen.
Kategorie: In begrenzter Zeit handeln ⏳
Commitment & Consistency
Werden Nutzer*innen nach einer Handlung gefragt, stuft das Gehirn dies zunächst als potenzielle Gefahr ein. Kleine, einfache Einstiegs-Schritte senken jedoch die „Abwehrreaktion“. Sind Nutzer*innen einmal eingestiegen, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie weitere, auch größere, Schritte vornehmen, da das Gehirn nach Konsistenz zum eigenen Verhalten strebt. Darum schneiden mehrstufige Formulare oft deutlich besser ab als lange einstufige.
Tipps, wie Sie Commitment & Consistency in Ihrer UX berücksichtigen können:
- Klein anfangen:
Den Einstieg so einfach wie möglich machen (z. B. mit einem kurzen Formularfeld statt kompletter Registrierung). - Schrittweise steigern:
Komplexere Informationen oder Entscheidungen in späteren Schritten abfragen. - Konsistenz nutzen:
Nutzer*innen an ihre bereits getroffenen Entscheidungen erinnern, um die Fortsetzung zu fördern. - Barrieren abbauen:
Jedes abgeschlossene Teilziel verstärkt die Motivation, den nächsten Schritt zu gehen.
Discoverability
Discoverability beschreibt, ob Nutzer*innen allein durch Hinschauen verstehen, wie sie ein Produkt bedienen können. Sind die entscheidenden Elemente klar und sichtbar, finden sie mühelos den nächsten Schritt.
Tipps, wie Sie Discoverability in Ihrer UX berücksichtigen können:
- Kernaktionen sichtbar machen:
Wichtigste Funktionen oder Buttons sofort ins Blickfeld rücken. - Eindeutige Orientierung bieten:
Nutzer*innen müssen jederzeit wissen, wo sie sind und wie sie zurückkommen. - Visuelle Hierarchien nutzen:
Größe, Farbe oder Platzierung lenken die Aufmerksamkeit auf das Wesentliche. - Keine Sackgassen zulassen:
Immer eine klare Möglichkeit zum Weiter- oder Zurückgehen bieten.
Kategorie: Im Gedächtnis speichern 💾
Endowment Effect
Menschen sind eher bereit, etwas zu behalten, das sie bereits besitzen, als dasselbe Produkt neu zu erwerben. Sie neigen dazu, den Wert von „eigenen“ Dingen zu überschätzen, unabhängig vom objektiven Marktwert.
Tipps, wie Sie den Endowment Effect in Ihrer UX berücksichtigen können:
- Gefühl von Besitz erzeugen:
Personalisierungen, gespeicherte Einstellungen oder eigene Dashboards machen ein Produkt „zu ihrem“. - Testphasen wie Besitz wirken lassen:
Kostenlose Trials oder Freemium-Versionen fördern Bindung, was Nutzer*innen schon nutzen, wollen sie ungern verlieren. - Verluste betonen:
Hinweise wie „Ihre gespeicherten Projekte gehen verloren“ verstärken den Wunsch, dabei zu bleiben. - Visualisieren:
Fortschrittsbalken oder eigene Inhalte vermitteln schnell ein Gefühl von Eigentum.
Chunking
Einzelne Informationseinheiten werden in bedeutungsvollen Gruppen zusammengefasst. Dadurch wird die begrenzte Kapazität des Arbeitsgedächtnisses entlastet. Gruppen („Chunks“) lassen sich leichter verarbeiten, verstehen und später abrufen, weil das Gehirn sie zu größeren kognitiven Einheiten verdichtet.
Der Blogbeitrag, den Sie gerade lesen, enthält 8 Heuristiken/Kognitive Verzerrungen Das ist schwer, sich auf einmal zu merken. Um es leichter zu machen, haben wir sie in 4 Kategorien (Chunks) zusammengefasst.
Tipps, wie Sie Chunking in Ihrer UX berücksichtigen können:
- Information strukturieren:
Lange Texte, Prozesse oder Formulare in überschaubare Abschnitte aufteilen. - Visuell gruppieren:
Zusammengehörige Elemente durch Layout, Abstände oder Farben erkennbar machen. - Schritte klar gliedern:
Multi-Step-Formulare oder Checklisten erleichtern den Überblick. - Wiedererkennung fördern:
Chunks sollten einen klaren Bezug oder eine gemeinsame Bedeutung haben.
Fazit
Kognitive Verzerrungen und Heuristiken sind kein Hindernis, sondern ein Werkzeug: Wer versteht, wie Nutzer mit digitalen Produkten interagieren und wie diese Interaktionen durch Irrationalität beeinflusst werden, kann bewusst User Experience gestalten, die intuitiv und nutzerführend ist. Wir haben die einzelnen Informationen zusätzlich in Tabellenform zusammengefasst, um Ihnen einen schnellen Überblick zu geben.
Kategorie (Nutzerinteraktion) | Prinzip | Mini-Definition | Tipps |
🔍 Informationen filtern | Hick’s Law | Mehr Auswahl = längere Entscheidungszeit & mehr kognitive Last | • Optionen reduzieren • Wichtiges priorisieren |
Anchoring Bias | Anker-Info verzerrt alle späteren Urteile | • Teuren Anker zuerst zeigen • Reihenfolge bewusst steuern | |
🧭 Bedeutung suchen | Social Proof | Menschen orientieren sich am Verhalten anderer | • Bewertungen sichtbar machen • Beliebtheit hervorheben |
Familiarity Bias | Vertrautes wird bevorzugt und als angenehmer empfunden | • Bekannte Muster nutzen • Konsistentes Design einsetzen | |
⏳ In begrenzter Zeit handeln | Commitment & Consistency | Kleine Einstiegs-Schritte erhöhen die Chance, dass Nutzer*innen weitermachen | • Mit kleinen Aufgaben starten • Multi-Step-Formulare nutzen |
Discoverability | Nutzer*innen müssen Kernfunktionen sofort erkennen können | • Wichtigste Aktionen sichtbar machen • Klare Orientierung bieten | |
💾 Im Gedächtnis speichern | Endowment Effect | Dinge, die Nutzer*innen „besitzen“, werden überbewertet | • Gefühl von Besitz schaffen • Verlustangst nutzen |
Chunking | Informationen lassen sich leichter merken, wenn sie in Gruppen strukturiert sind | • Inhalte in Abschnitte gliedern • Elemente visuell gruppieren |

Social Proof