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Low Code, No Code, Vibe Coding: Potenziale und Grenzen der aktuellen Software-Trends

Individualsoftware

Sind sie die Zukunft der Softwareentwicklung oder werden sie gar klassische Programmierung obsolet machen? Was Sie über die Potenziale und Grenzen von Low-Code- und No-Code-Plattformen sowie Vibe Coding mit KI wissen sollten.

Drag-and-Drop statt Code? LCNC-Plattformen (Low Code / No Code) und neue Trends wie Vibe Coding versprechen, die Entwicklung digitaler Lösungen drastisch zu vereinfachen. Anbieter wie Microsoft, SAP oder auch Newcomer wie Anthropic entwickeln Werkzeuge, mit denen Fachabteilungen und Einzelpersonen Anwendungen – so zumindest das Versprechen – fast vollständig und auf Basis natürlicher Sprache selbst bauen können.

Was nach Demokratisierung klingt, wirft auch kritische Fragen auf: Wie nachhaltig sind solche Lösungen und werden diese Versprechen bereits eingehalten? Wo liegen Chancen – und wo Risiken? Die Frage ist nicht, ob Vibe Coding oder LCNC sinnvoll sind – sondern wo ihre sinnvollen Einsatzgrenzen liegen.

Definition: Was unterscheidet Low Code von No Code und von Vibe Coding?

No-Code-Plattformen richten sich an Nutzer*innen ohne jegliche Programmierkenntnisse. Die Benutzeroberflächen sind stark visuell geprägt, sodass Anwendungen per Drag-and-Drop zusammengebaut werden können. Das macht No Code ideal für einfache Anwendungen, die schnelle Anpassungen erfordern, wie etwa interne Tools zur Datenerfassung.

Low-Code-Plattformen lassen etwas mehr Flexibilität zu und bieten optional die Möglichkeit, Code zu ergänzen. Damit können auch komplexere Anwendungen entstehen, die an spezifische Unternehmensanforderungen angepasst sind. Diese Tools richten sich an Anwender*innen mit Grundkenntnissen in der Programmierung, sind aber zugänglicher als herkömmliche Entwicklungsplattformen.

Vibe Coding geht noch einen Schritt weiter: Hier schreibt die KI nicht nur einzelne Codezeilen, sondern ganze Komponenten, basierend auf kurzen Beschreibungen in natürlicher Sprache. Die Vision: Wer eine Idee formulieren kann, soll Software bauen können – ohne technische Vorkenntnisse. Die KI macht Vorschläge auf Grundlage einer Sprachangabe, der oder die Nutzende übernimmt die Vorschläge und baut sich so eine Anwendung zusammen. 

Tatsächlich übernimmt die KI in der Praxis viele mühsame Aufgaben und steigert die Produktivität: Sie generiert Code, schlägt Funktionen vor, integriert Bibliotheken und kann Tests schreiben. Die Recherchearbeit verringert sich deutlich, man kann sich Dinge erklären lassen. Tools wie GitHub Copilot oder Amazon CodeWhisperer zeigen, wie weit das schon heute geht.

Doch wenn einige Tech-Größen bereits vom Ende der Programmierung sprechen, sehen wir diese Entwicklung kritisch. Weder No Code, Low Code, noch Vibe Coding ersetzen derzeit fundierte Softwareentwicklung – zumindest nicht dann, wenn Qualität, Skalierbarkeit, Sicherheit oder Wartbarkeit zählen. In unserer Erfahrung funktioniert das Prinzip Story rein, Code raus nicht. Ohne saubere Architektur, dokumentierte Schnittstellen, durchdachte DevOps-Prozesse und ausreichende Testabdeckung bleiben die Ergebnisse erste Prototypen und bringen schnell Probleme mit sich.


Plattform-Beispiele aus der Praxis

Verschiedene namhafte Technologieunternehmen haben sich auf die Entwicklung und Bereitstellung von Low-Code- und No-Code-Plattformen spezialisiert und setzen auf den Trend zur vereinfachten Softwareentwicklung. Plattformen wie Airtable und Zapier bieten beispielsweise No-Code-Lösungen an, die Anwender*innen ohne Programmierkenntnisse helfen, Workflows zu automatisieren und Daten zu verwalten. Diese Tools sind besonders für Unternehmen attraktiv, die unkomplizierte, leicht konfigurierbare Lösungen suchen.

Im Low-Code-Bereich bieten etablierte Anbieter wie Salesforce, OutSystems und Mendix Plattformen, die einen höheren Grad an Flexibilität erlauben und auch komplexe Unternehmensanwendungen abbilden können. Auch SAP Build und Microsoft Power Apps sind Beispiele für Low-Code-Lösungen, die sich zunehmend in den Bereichen Prozessautomatisierung und Datenauswertung bewähren. Während No-Code-Tools besonders für weniger technische Nutzer*innen aus Fachabteilungen geeignet sind, bieten Low-Code-Plattformen Entwickler*innen mehr Möglichkeiten zur Anpassung und Integration, was Unternehmen eine differenzierte Auswahl ermöglicht.

Auch im Bereich Vibe Coding entstehen erste Plattform-Initiativen: Apple arbeitet Medienberichten zufolge gemeinsam mit Anthropic an einer Softwarelösung, die Vibe Coding stärker machen und verbessern soll. Der Trend zeigt: KI-gestützte Softwareentwicklung gewinnt an Bedeutung. Aber: Auch hier gilt es, die Einsatzgrenzen realistisch zu bewerten.

Vorteile und Einsatzpotenziale von LCNC-Plattformen

LCNC-Plattformen bieten eine Vielzahl von Vorteilen – insbesondere in Szenarien, in denen schnell, pragmatisch und ohne tiefgreifende IT-Einbindung digitale Lösungen geschaffen werden sollen.

  1. Schnelle Umsetzung und Agilität: Mithilfe visueller Editoren und vorgefertigter Komponenten lassen sich Ideen in kurzer Zeit in funktionsfähige Anwendungen überführen. Fachabteilungen können direkt auf neue Anforderungen reagieren, iterieren und Lösungen selbstständig anpassen. Das verkürzt die Time-to-Market und stärkt die Eigenverantwortung der Teams.
  2. IT-Entlastung und Prozessautomatisierung: Standardanwendungen und wiederkehrende Aufgaben wie Genehmigungsprozesse, Datenerfassungen oder Statusabfragen können ohne Unterstützung der IT umgesetzt werden. Dadurch werden Ressourcen in der IT-Abteilung frei, die sich auf strategisch wichtigere Themen konzentrieren kann. Gleichzeitig steigert die Automatisierung die Effizienz und minimiert Fehlerquellen.
  3. Pragmatische Lösungswege: Besonders in Bereichen mit stabilen Anforderungen und überschaubarem Integrationsbedarf bieten LCNC-Tools eine praktikable und kosteneffiziente Alternative zur klassischen Entwicklung. Sie eignen sich ideal für Prototyping, temporäre Tools oder die Digitalisierung manueller Prozesse.
  4. Wichtiger Hinweis zur Wirtschaftlichkeit: LCNC-Projekte sind nicht automatisch günstiger. Lizenzkosten, potenziell hoher Anpassungsaufwand und begrenzte Erweiterbarkeit können langfristig zu erheblichen Folgekosten führen. Zudem besteht das Risiko eines Vendor Lock-ins, wenn Unternehmen sich zu stark an proprietäre Plattformen binden. Deshalb sollten LCNC-Initiativen frühzeitig mit Blick auf ihren gesamten Lebenszyklus evaluiert werden – nicht nur im Hinblick auf die initiale Entwicklung.

Grenzen und Herausforderungen von LCNC-Plattformen

Trotz ihrer Vorteile bringen LCNC-Plattformen auch Einschränkungen und Risiken mit sich, die Unternehmen sorgfältig abwägen sollten.

Technische und organisatorische Grenzen

  • Shadow IT
    Wenn Anwendungen ohne Einbindung der IT entstehen, können unkontrollierte Insellösungen („Schatten-IT“) entstehen, die schwer wartbar sind und Sicherheitslücken bergen.
  • Skalierbarkeit und Wartbarkeit
    Viele Citizen Developer erstellen Anwendungen, die nicht auf Wachstum oder langfristige Nutzung ausgelegt sind. Verlassen Schlüsselpersonen das Unternehmen, droht Wissensverlust. Zudem fehlt es oft an Dokumentation oder Standards.
  • Keine Test-Automatisierung
    In vielen Low-Code- oder No-Code-Anwendungen fehlt eine dedizierte Testumgebung. Änderungen erfolgen direkt in der produktiven Anwendung – ohne Staging, ohne Klone. Automatisierte Tests sind in solchen Umgebungen kaum möglich, weil es keine stabile Testbasis gibt und zentrale Komponenten für die Testbarkeit fehlen. Die Folge: Es wird direkt am Live-System gearbeitet – mit entsprechend hohem Risiko für Fehler im Betrieb.

Betriebliche Risiken von LCNC

  • Compliance und Datenschutz
    Eigenentwicklungen erfüllen nicht automatisch regulatorische Anforderungen. Gerade bei personenbezogenen Daten ist Vorsicht geboten.
  • Vendor Lock-in
    Die Abhängigkeit von einzelnen Plattformanbietern kann sich langfristig als strategisches Risiko erweisen – insbesondere, wenn proprietäre Technologien oder Datenformate im Einsatz sind.

Grenzen bei strategisch relevanter Software

Sobald Software tief in Kernprozesse eingebunden ist oder einen langfristigen und unternehmenskritischen Charakter hat, reichen Baukastensysteme nicht mehr aus. Die Anforderungen an Architektur, Sicherheit, Performance und Erweiterbarkeit übersteigen die Möglichkeiten von LCNC-Plattformen.

In solchen Fällen braucht es:

  • Erfahrene Entwickler*innen,
  • durchdachte, strukturierte Softwarearchitekturen,
  • skalierbare Infrastrukturen und
  • DevOps-orientierte Entwicklungsprozesse.

Auch Vibe Coding kann diese Anforderungen derzeit nicht erfüllen. Die Geschwindigkeit und Einfachheit der Code-Generierung täuscht leicht darüber hinweg, dass robuste Software weit mehr erfordert als im UI sichtbare Features. Architektur, Testing, Security und Betrieb lassen sich nicht „wegprompten“. Vibe Coding ist eine hilfreiche Ergänzung – aber kein Ersatz für erfahrene Entwicklungsteams. Gerade bei strategisch wichtiger Software stößt Vibe Coding schnell an Grenzen: LLMs liefern zwar beeindruckende Ergebnisse für Prototypen, verstehen aber oft nicht, was sie da eigentlich erzeugen. Der stochastische Charakter der Generierung führt dazu, dass der Output irgendwann nicht mehr konsistent oder passend ist – insbesondere, wenn der Kontext zu groß wird oder wichtige Details fehlen. Eine Rückführung oder gezielte Weiterentwicklung („Entviben“) ist kaum möglich.

Bevor ein Projekt mit einer LCNC-Plattform oder auf Grundlage von Vibe Coding gestartet wird, helfen folgende Fragen:

  • Muss das Tool mit mehreren Systemen kommunizieren?
  • Sind Datenschutz- und Sicherheitsanforderungen relevant?
  • Wird die Lösung langfristig betrieben und weiterentwickelt?
  • Ist irgendwann mit vielen Nutzer*innen und hohem Datenvolumen zu rechnen?

Wenn ja: Setzen Sie lieber auf klassische Softwareentwicklung (gerne mit Unterstützung von KI-Assistenten), um eine hochwertige, skalierbare, sichere und wartungsarme Lösung zu erhalten.

Fazit

Low-Code- und No-Code-Plattformen sowie Vibe-Coding eröffnen neue Wege für die schnelle Entwicklung von Anwendungen und können Unternehmen und professionelle Entwicklerteams punktuell entlasten. Sie bieten in manchen Fällen Fachabteilungen die Möglichkeit, eigenständig zu agieren und kleinere Prozesse effizienter zu digitalisieren.

Trotzdem sind sie kein Ersatz für professionelle Softwareentwicklung. Sobald Komplexität, Integration oder strategische Bedeutung ins Spiel kommen, sind sie nur bedingt geeignet. Entscheidend ist daher eine realistische Bewertung der Anforderungen – mit Blick auf den gesamten Lebenszyklus der Anwendung. 

Wenn Low Code nicht reicht: Wir schauen auf den gesamten Lebenszyklus
Low Code, No Code und Vibe Coding können vieles erleichtern – aber nicht jedes Projekt lässt sich damit sinnvoll umsetzen. Erfahren Sie, wie wir anspruchsvolle Softwarelösungen entwickeln, die langfristig tragfähig, sicher und wartbar sind.
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